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10. Juli 2023 (TGS Blog)

Friederike, woher kommen die Geschichten?

Vermittlerin und Märchenerzählerin Friederike Schreiber über die Faszination des gesprochenen Wortes und fabelhaftes Kopfkino.

Nichts als die Not gekannt.
Beim Stehlen erwischt.
Eingesperrt
Aufgebrochen: die Aufseherin umgebracht.
Und aus so was, meinst du, soll man was lernen?
Ach, was heißt da lernen, ich verfolge doch keinen
pädagogischen Ansatz!
Was Zuhören allein schon eine Leistung ist.

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Ich freue mich, dass ihr gekommen seid!
Habt ihr eine gute Reise hierher gehabt?
So, nun gemütlich machen!
Ich werde euch heute Märchen aus verschiedenen
Ländern erzählen und malen.
Bilder malen, nicht auf Papier, sondern in euren
Köpfen.
So, dass ihr euch die Bilder vorstellen könnt.
Macht ihr mal bitte die Augen zu.
Ich sage: kleine, schwarze Katze.....und hat jeder?
Die kleine Katze hat ein Schälchen Milch vor sich
stehen.
Jetzt trinkt sie, dann leckt sie sich die rechte Pfote.
Jetzt legt sie sich hin und schnurrt. Hört ihr sie
schnurren? Ach, der Katze geht es gut!
Augen auf und es kann losgehen…
Und woher kommen die Geschichten?

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Am Anfang war nichts als Wasser, ein weites
Meer, bevölkert von Tieren, wie sie in und auf dem
Wasser lebten. Da geschah es, dass durch eine Riss
im Himmel eine Geschichte hinab gestoßen wurde.
Aus dem Wolkenmeer, aus dem Wörtermeer, da kamen
Geschichten heraus, die es geben könnte:
Die Geschichte vom Mann der nichts fühlte
Die Geschichte von den drei Gifttöpfen
Die Geschichte von der Familie mit den 111 Kindern
Die Geschichte von der Frau, die nicht mehr aus
ihren Träumen herausfand
Die Geschichte von dem Kind, dass sich so gut versteckte,
dass es niemand fand.
Und viele mehr.
Zwei Mauersegler, die niemals vorher die Erde mit
ihren Füßen berührt hatten, segelten unter die aus
dem Himmel fallenden Geschichten und schoben
ihre Körper zusammen, so dass sie ein Kissen bildeten,
auf dem die Geschichten ruhen konnten. Ruhen
und reifen.
Aber irgendwann - und ich sage euch, das dauerte -
wurden die Vögel müde. Und sie riefen die anderen
Tiere um Hilfe.
Schließlich kam die Schildkröte, ein mächtiges Tier,
das sich bereiterklärte, die Bürde der Mauersegler
zu übernehmen. Die beiden setzten ihr die
Geschichten auf den Rücken und schärften ihr ein,
darauf aufzupassen.
Die Schildkröte befahl nun den Tieren, auf den
Grund des Meeres hinabzutauchen und zu versuchen,
Erde hinaufzubringen. Denn die Geschichten
brauchen Erde um darauf leben zu können. Viele
versuchten es, keinem gelang es.
Als Letzte ging die alte Kröte hinunter. Nach langer
Zeit tauchte sie wieder auf, erschöpft und halbtot.
Die Schildkröte suchte im Mund der Kröte und fand
tatsächlich etwas Erde darin, die sie den Geschichten
gab. Diese nahmen sie und verteilten sie sorgfältig
um den Schildkrötenpanzer.
Das war der Anfang des trockenen Landes. Das
Land wuchs, dehnte sich aus, nach allen Seiten, bis
es ein großes Land war, geeignet zur Besiedelung
durch Pflanzen. Alles wurde von der Schildkröte
gehalten, die auch heute noch die Erde trägt. Die
Geschichten jedoch stiegen herab und besiedelten
die Herzen der Menschen, und dann weinten alle,
bis die Wimpern verklebt, die Nase versiegt und die
Augen vertrocknet waren, während die heirateten,
die sollten und wollten und auch die Schwester
wurde dazugeholt.
Die Alten haben das erzählt, sie sind von uns gegangen,
aber ihre Worte sind geblieben und sind heute
und hier bei euch gelandet, und werden durch euch
weiterreisen.

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